Sonntag, 15. August 2010

Der anonyme Nürnberger Visum et Repertum Druck aus dem ersten Halbjahr 1732

Der kleine anonym herausgegebene Druck mit dem Titel Visum et Repertum, über die so genannten Vampirs, oder Blut-Aussauger, so zu Medvegia in Servien, an der Türkischen Granitz, den 7. Januarii 1732 geschehen war war das erste gedruckte Schriftwerk, das im Jahre 1732 den Vorfall über die Medvegya-Vampire einem breiten Publikum zugänglich machte. Es enthält das Gutachten Flückingers über die Medvegya-Vampire (welches dem Druck auch seinen Namen gab) sowie den Bericht Frombalds über den Kisolova-Vorfall von 1725. Als eine Art Nachwort legt der unbekannte Herausgeber außerdem seine Gedanken zum Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern dar. In diesem Druck wird übrigens auch das Ausfertigungsdatum des Kisolova-Berichtes von 1725 erwähnt, das in allen übrigen zeitgenössischen Werken fehlt.

Hier der ungekürzte Text:

Visum et Repertum,
Über die so genannten
Vampirs,
oder
Blut-Aussauger,
so zu Medvegia in Servien, an der Türkischen Granitz, den 7. Januarii 1732 geschehen.

Nebst einem Anhang
Von dem
Kauen und Schmatzen
Der
Toten in Gräbern.

Nürnberg,
bei Johann Adam Schmidt,
1732.


Nachdem das Anzeigen geschehen, dass in dem Dorf Medvegia, die so genannten Vampirs, einige Personen, durch Aussaugung des Bluts umgebracht haben sollen: Als bin ich auf hohe Verordnung eines allhiesigen Hochlöblichen Ober-Commando, um die Sache vollständig zu untersuchen, nebst darzu commandirten Herrn Officiern und 2 Unter-Feldscherern dahin abgeschicket, und gegenwärtige Inquisition in Beisein des der Stallater Hexducken Compagnie Capitain, Gorschiz, Hadnack, Bariactar und ältesten Heyducken des Dorfes folgender maßen vorgenommen und abgehöret worden. Welche denn einhellig aussagen, dass vor ungefähr 5 Jahren ein hiesiger Heyduck, Namens Arnond Paole sich durch einen Fall von einem Heuwagen den Hals gebrochen; dieser hatte bei seiner Lebens-Zeit sich öfters verlauten lassen, dass er bei Gossowa in dem Türckischen Servien von einem Vampir geplagt worden sei, dahero er von der Erde des Vampirs Grab gegessen, und sich mit dessen Blut geschmieret habe, um von der erlittenene Plage entlediget zu werden. In 20 oder 30 Tagen nach seinem Tod-Fall haben sich einige Leute geklaget, dass sie von dem gedachten Arnond Paole geplaget, würden; Wie denn auch wirklich 4 Personen von ihm umgebracht worden. Um nun dieses Übel einzustellen, haben sie auf Einraten ihres Hadnacks, welcher schon vorhin bei dergleichen Begebenheiten gewesen, diesen Arnond Paole, beiläufig 40 Tage nach seinem Tod ausgegraben, und gefunden, dass er ganz vollkommen und unverwesen sei, auch ihm das frische Blut zu denen Augen, Nasen, Mund und Ohren heraus geflossen, das Hemd, Übertuch und Truhe ganz blutig gewesen, die alte Nägel an Händen und Füßen samt der Haut abgefallen, und dagegen neue andere gewachsen sein, weilen sie nun daraus ersehen, dass er ein wirklicher Vampir sei, so haben sie demselben nach ihrer Gewohnheit einen Pfahl durchs Herz geschlagen, wobei er einen wohlvernehmlichen Gächzer getan, und ein häufiges Geblüt von sich gelassen; Wobei sie den Körper gleich selbigen Tag zu Aschen verbrennet, und solche in das Grab geworden. Ferner sagen gedachte Leute aus, dass alle diejenige, welche von denen Vampiren geplaget und umgebracht würden, ebenfalls zu Vampiren werden müssen. Also haben sie die obberührte 4 Personen auf gleiche Art exequiret. Dann fügen sich auch hinzu, dass dieser Arnond Paole nicht allein die Leute, sondern auch das Vieh angegriffen, und ihnen das Blut ausgesaugt habe. Weil nun die Leute das Fleisch von solchem Vieh genutzet, so zeiget es sich aufs neue, dass sich wiederum einige Vampirs allhier befinden, allermaßen in Zeit von 3 Monaten 17 junge und alte Personen mit Tod abgangen, worunter einige ohne vorher gehabte Krankheit in 2 oder längstens 3 Tagen gestorben. Dabei meldet der Heyduck Joviza, dass seine Schwieger-Tochter, Namens Stanacka, vor 15 Tagen sich frisch und gesund schlafen geleget, um Mitternacht aber ist sie mit einem entsetzlichen Geschrei, Furcht und Zittern aus dem Schlaf aufgefahren, und geklaget, dass sie von einem vor 9 Wochen verstorbenen Heyducken Sohn, Namens Milloe sei um den Hals gewürget worden, worauf sie einen großen Schmerzen auf der Brust empfunden, und von Stund zu Stund sich schlechter befunden, bis sie endlich den dritten Tag gestorben.
Hierauf sind wir denselbigen Nachmittag auf den Freidhof, um die verdächtigen Gräber eröffnen zu lassen, neben denen oft gemeldten ältesten Heyducken des Dorfes ausgegangen, die darinnen befindliche Körper zu visitiren, wobei nach sämtlicher Secirung sich gezeiget:
1. Ein Weib, Namens Stana, 20 Jahr alt, so vor 2 Monaten nach einer 3tägigen Krankheit ihrer Niederkunft gestorben, und vor ihrem Tod selbst ausgesagt, dass sie sich mit dem Blut eines Vampirs gestrichen hätte, folgendlich sie so wohl als ihr Kind, welches gleich nach der Geburt verstorben, und durch leichtsinnige Begräbnis von denen Hunden bis auf die Hälfte verzehret worden, ebenfalls Vampiren werden müssen; war ganz vollkommen und unverwesen; Nach Eröffnung des Körpers zeigte sich in cavitate pectoris eine Quantität frisches extravasirtes Geblüts; Die Vasa, als arteriae und venae nebst denen ventriculis cordis, waren nicht, wie es sonsten gewöhnlich, mit coagulirtem Geblüt impliret; Die sämtliche Viscera, als Fulmo, herpar, stomachus, lien & intestina waren dabei ganz frisch, gleich bei einem gesunden Menschen; Der Uterus aber befand sich ganz groß, und externe sehr inflammiret, weil Placentum, als auch Lochiae bei ihr geblieben, daher selbiger in völliger putredine war; Die Haut an Händen und Füßen, samt den alten Nägeln fielen von sich selbst herunter, hergegen zeigeten sich nebst einer frischen und lebhaftigen Haur, ganz neue Nägel.
2. War ein Weib, Namens Miliza, beiläufig 60 Jahr alt, welche nach 3 Monatlicher Krankheit gestorben, und vor etlich und 90 Tagen begraben worden; in der Brust befande sich viel liquides Geblüt, die übrige viscera, waren gleich der vorgemeldeten in einem guten Stand. Es haben sich bei der Secirung die umstehende sämtliche Heyducken über ihre Fette und vollkommenen Leib sehr verwundert, einhellig aussagend, dass sie das Weib von ihrer Jugend auf wohl gekannt, und Zeit ihres Lebens ganz mager und ausgedörret ausgesehen und gewesen, mit nachdrücklicher Vermeldung, dass sie in dem Grab zu eben dieser Verwunderungs-würdigen Fettigkeit gelanget sei: Auch derer Leute Aussagen nach solle sie jetziger Zeit den Anfang derer Vampire gemacht haben, zumalen sie das Fleisch von denen Schafen, so von denen vorhergehenden Vampiren umgebracht worden, gegessen hätte.
3. Befande sich ein 8 tägiges Kind, welches 90 Tage im Grabe gelegen, gleicher maßen in Vampiren stand.
4. Wurde ein Heyducken Sohn, 16 Jahr alt, ausgegraben, so 9 Wochen in der Erden gelegen, nachdem er an einer drei tägigen Krankheit gestorben war, gleich denen andern Vampiren gefunden worden.
5. Ist der Joachim, auch eines Heyducks Sohn, 17 Jahr alt, in drei tägiger Krankheit gestorben, nachdem er 8 Wochen und 4 Tage begraben gewesen; Befande sich bei der Section gleichergestalt.
6. Ein Weib, Namens Ruscha, welche nach zehen tägiger Krankheit gestorben, und vor 6 Wochen begraben worden, bei welcher auch viel frisches Geblüt nicht allein in der Brust, sondern auch in fundo ventriculi gefunden habe, gleichfalls bei ihrem Kind, so 18 Tage alt war, und vor 5 Wochen gestorben sich gezeiget hat.
7. Nicht weniger befande sich ein Mägdlein von 10 Jahren, welche vor 2 Monaten gestorben, in obangezogenem Stande ganz vollkommen und unverwesen, und hatte in der Brust viel frisches Geblüt.
8. Hat man des Hadnacks Eheweib, samt ihrem Kinde ausgegraben, welche vor 7 Wochen, ihr Kind aber, so 3 Wochen alt war, und vor 21 Tagen gestorben, dabei aber gefunden, dass so wohl die Mutter als Kind völlig verwesen, obwohl sie gleich der Erd und Gräber derer nächst gelegenen Vampiren gewesen waren.
9. Ein Knecht des hiesigen Heyducken-Corporals, Nahmens Rhade, 23 Jahr alt, ist in 3 monatlicher Krankheit gestorben, und nach 5 wöchentlicher Begräbnis völlig verwesen gefunden worden.
10. Des hiesigen Bariactar sein Weib, samt ihrem Kinde, so vor 5 Wochen gestorben, waren gleichermaßen völlig verwesen.
11. Bei dem Stanche, einen Heyducken 60 Jahr alt, so vor 6 Wochen gestorben, habe ich ein häufiges gleich denen andern liquides Geblüt in der Brust und Magen gefunden; das ganze Corpus war in oft benannten Vampir-Stand.
12. Milloe ein Heyduck 25 Jahr alt, so 6 Wochen in der Erden gelegen, befande sich gleichfalls in ermeldtem Vampir-Stand.
13. Stanoicka, eines Heyduckens Weib, 20 Jahr alt, ist in 3 tägiger Krankheit gestorben, und vor 18 Tagen begraben worden; Bei der Secirung habe ich gefunden, dass sie in dem Angesicht ganz rot und lebhafter Farbe war, und wie oben gemeldet, sie von des Heyducks Sohn, Namens Milloe sei um Mitternacht um den Hals gewürget worden, sich auch augenscheinlich gezeiget, dass sie rechter Seiten unter dem Ohr einen blauen mit Blut unterloffenen Fleck eines Fingers lang gehabt; bei Herausnehmung ihres Grabes flosse eine Quantität frisches Geblüt aus der Nasen; Nach der Secirung fande ich, wie schon oft gedacht, ein rechtes balsamisch frisches Geblüt, nicht allein in der Höhle der Brust, sonder auch in ventriculo cordis; die sämtliche Viscera befanden sich in vollkommen gesunden und gutem Stand; die Unter-Haut des ganzen Körpers samt denen frischen Nägeln an Händen und Füßen, waren gleichsam ganz frisch.
Nach geschehener Visitation sind denen Vampiren die Köpfe durch die dasige Zigeuner herunter geschlagen worden, und samt denen Körpern verbrennet, die Aschen davon in den Fluß Morava geworfen, die verwesene Leiber aber wiederum in ihre vorgehabte Gräber geleget worden. Welchen hiermit nebst den mir zugegebenen Unter-Feldscherern befestigen. Actum ut supra.

(L S.) Johannes Fluckinger, Regiments Feldhscerer, Löbl. B. Fürszenbuschl. Regiments zu Fuß.

(L.S.) J. J. Sigel, Feldscherer von Löbl. Morallischen Regiment.

(L.S.) Johann Friedrich Baumgarten, Feldscherer Löbl. B. Fürstenbuschl. Regiments zu Fuß.

Wir Endes Unterschriebene attestiren hiermit, wie, dass alles dasjenige, so der Regiments-Feldscherer von Löblichen Fürstenbuschischen Regiment, samt beiden neben unterzeichneten Feldscherers-Gesellen hieroben denen Vampiren betreffend in Augenschein genommen, in allen und jedem der Wahrheit gemäß, und in unserer selbst eigener Gegenwart vorgenommen, visitirt und examiniret worden. Zur Bekräftigung dessen ist unsere eigenhändige Unterschrift und Fertigung. Belgrad, den 26. Jenner 1732.

(L.S.) Büttener, Obrist Lieutenant des Löbl. Alexandr. Regiments.

(L.S.) J. H. von Lindenfels, Fenderich Löbl. Alexandrischen Regiments.


Ein ander dergleichen merkwürdiges Exempel wurde vor einigen Jahren von dem Kaiserlichen Provisor in dem Gradisker District in Hungarn, an die Kaiserliche Administration zu Belgrad berichtet, welches folgenden Inhalts ist: Nachdem bereits vor 10 Wochen, ein in dem Dorf Kisolova, Rahmer District, gesessener Untertan, Namens Peter Plogojovitz, mit Tode abgegangen, und nach Rätzischer Manier zur Erden bestattet worden, hat sich’s in ermeldtem Dorf Kisolova geäußert, dass innerhalb 8 Tagen 9 Personen, so wohl alte als junge, nach überstandener 24stündiger Krankheit, also dahin gestorben, dass, als sie annoch auf dem Tod-Bette lebendig lagen, sie öffentlich ausgesagt, dass obbemeldter, vor 20 Wochen verstorbener Plogojovitz, zu ihnen im Schlaf gekommen, sich auf sie geleget und sie gewürget, dass sie nunmehro den Geist aufgeben müssten; Gleichwie dann hierüber die übrigen Untertanen sehr bestürzet, in solchem noch mehr bstärket worden, da des verstorbenen Peter Plogojovitz Weib, nachdem sie zuvor ausgesagt, dass ihr Mann zu ihr gekommen, und seine Oppanki oder Schuhe begehret, von dem Dorf Kisolova weg, und sich in ein anders begeben. Sintemal aber bei dergleichen Personen, (so sie Vampyri nennen) verschiedene Zeichen, als dessen Körper unverwest, Haut, Haar, Nägel an ihm wachsend zu sehen sein müssten, als haben sich die Untertanen einhellig resolviret, das Grab des Peter Plogokovitz zu eröffnen, und zu sehen, ob sich wirklich obbemeldete Zeichen an ihm befinden; Zu welchem Ende sie dann sich zu mir hierher verfüget, und nebst Andeutung vorerwähnten Casus, mich samt dem hiesigen Poppen oder Geistlichen ersuchet, der Besichtigung beizuwohnen: Und ob ihnen schon erstlich solches Factum reprobiret, mit Meldung, dass ein solches vorhero an eine Löbl. Administration untertänig-gehorsamst berichten, und derselben hohe Verfassung hierüber vernehmen müsste. Haben sie sich doch keineswegs hierzu bequemen wollen, sondern vielmehr diese kurze Antwort von sich gegeben: Ich möchte tun was ich wollte, allein, wofern ich ihnen nicht verstatten würde, auf vorherige Besichtigung und rechtliche Erkanntnus mit dem Körper nach ihrem Gebrauch zu verfahren, müssten sie Haus und Gut verlassen, weil bis zu Erhaltung einer gnädigsten Resolution von Belgrad wohl das ganze Dorf (wie schon unter Türkischen Zeiten geschehen sein sollte) durch solchen üblen Geist zu Grunde gehen könnte, welches sie nicht erwarten wollten. Da man dann solche Leute weder mit guten Worten noch Bedrohungen von ihrer gefassten Resolution abhalten kunte, derohalben ich mich mit Zuziehung des Gradisker Poppen, in gemeldtes Dorf Kisolova begeben, den bereits ausgegrabenen Körper des Peter Plogojovitz besichtiget, und gründlicher Wahrheit gemäß folgendes befunden: Daß erstlich von solchem Körper und dessen Grabe nicht der mindeste, sonst der Toten gemeiner Geruch, verspüret, der Körper, außer der Nasen, welche etwas abgefallen, ganz frisch, Haar und Bart, ja auch di Nägel, wovon die alten hinweg gefallen, an ihm gewachsen, die alte Haut, welche etwas weißlich war, hat sich hinweg geschälet, und eine neue frische darunter hervor getan, das Gesichte, Hände und Füße und der ganze Leib waren so beschaffen, dass sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener sein können: In seinem Munde habe ich nicht ohne Erstaunen einiges frisches Blut erblicket, welches, der gemeinen Aussage nach, er von denen durch ihn Umgebrachten gesogen. In Summa, es waren alle Indicia vorhanden, welche dergleichen Leute (wie schon oben bemerket) an sich haben sollten.
Nachdem nun sowohl der Popp, als ich dieses Spectacul gesehen, der Pöbel aber mehr und mehr ergrimmter als bestürzter wurde, haben sie, gesammte Untertanen, in schneller Eil einen Pfeil gespitzet, mit solchem den toten Körper zu durchstechen, an das Herz gesetzet, da dann bei solcher Durchstechung nicht nur allein häufiges Blut, so ganz frisch, auch durch Ohren und Mund geflossen, sondern auch andere wilde Zeichen (welche wegen hohen Respekts umgehe) vorgangen; Sie haben endlich oftermelten Körper, in hoc casu gewöhnlichen Gebrauch nach, zu Aschen verbrannt. Welches dann E. Hochlöbl. Administration hinterbringen, und anbei gehorsamst untertänigst bitten wollen, dass, wenn hierinnen einen Fehler begangen haben sollte, solchen nicht mir, sondern dem vor Furcht außer sich selbst gesetzten Pöbel beizumessen.

Actum. 5. April 1725

Kaiserlicher Provisor im Gradisker Distrikt.


Anhang
Von dem
Kauen und Schmatzen
Der
Toten in Gräbern.

Daß um die Gräber und Beinhäuser manchesmal ein ungewöhnliches Gepolter, Gekrach, oder anderes Getös und seltsamer Schall vernommen werde, ist nichts neues, noch unerhörtes. Man lieset, dass die Teufel den Leichnam des Erzketzers Valentini, von dem geheiligten Ort der Grab-Stätte, bei Nacht, mit großen Geräusch heraus gerissen: Imgleichen, dass Papst Sylvesters des zweiten Gebeine im Sarg gerauschet. Daß solches nicht eben allemal in denen Gräbern der Unselig- sondern auch wohl bisweilen der selig-verblichenen geschehe, vermeinen etliche zu beweisen, mit den Gräbern der heiligen Märtyrer und anderer berühmter Heiligen. Wozu auch Garmannus in seinem gelehrten Tractätlein, de Miraculis mortuorum, mit einstimmet; indem er das Zeugnis S. Hieronymi anziehet, welcher schreibt, dass die Teufel bei den Begräbnissen Elisä. Johannis des Täufers, und des Abdiä (oder Obadiä) zu brüllen pflegen. Wiewohl der angezogene Ort Hieronymi eigentlich sonst auf diejenige böse Geister zielet, welche aus den besessenen brülleten und schrieen, wenn man dieselbe zu den Ruhe-Stätten der heiligen Märtyrer führte, wobei man, in der ersten Kirchen sich zum Gebet und anderm Gottesdienste zu versammeln pflegte.
Insonderheit sollen diese verdammte Mord-Geister, bei oder kurz vor obhandener Pest, mehrmalen unterschiedliche Vorzeichen in- oder bei denen Grab-Stätten geben; laut gemeiner Aussage. Warum sie solches tun, steht leicht zu begreifen. Sie sind überaus ehrsüchtige Geister, die in allen Sachen einen Schein Göttlicher Vollkommenheit, zumal der Allwissenheit suchen, und solchen durch dergleichen Vordeutungen obhandener Niederlagen oder großer Sterb-Seuchen, bei gemeinen Leuten zu finden, oder aufs wenigste sich damit groß und hoch verwunderlich zu machen hoffen: Immaßen dem Satan kaum etwas so schmerzlich tut, als die Verachtung bei den Menschen.

Nicht unfüglich fügen andere auch diese Beweg-Ursachen hinzu: Die bösen Geister merken, dass Gott erzörnt, und die Zeit seiner Strafe kommen sei; weil ihnen nun solches eine herzliche Lust, Freude und sonderbare Ergötzung ist: als geben sie solche ihre Frolockung durch allerlei schröckhafte Vorzeichen zu vernehmen.

Ich halte aber, es geschehe nicht aus jetztbemeldten Ursachen allein, sondern noch aus drei- oder viererlei andern. Denn es will drittens der leidige Bösewicht der Menschen auch damit spotten: sintemal er der allerherbste Spott-Vogel ist. Und (fürs vierte) will er ihnen gern damit Furcht und Schrecken einjagen; zumal denen, die es selbst hören: auf dass sie kleinmütig werden, oder wohl gar darüber erkranken, und , so es Gott verhängt, durch jählingen Schrecken desto leichter die Pest an den Hals bekommen mögen.

Fünftens trachtet er denen Leuten dadurch abergläubische Gedanken und Einbildungen einzudrücken, als ob er entweder notwendig nun dieser oder jener sterben müssen; oder, ob werde ein solches Geräusch, Getös und Gepolter von den Seelen der Angestorbenen erregt.

Heutiges Tages aber, da man Gott lob! Wohl weiß, dass der Teufel keine Göttliche Allwissenheit habe, und dennoch nicht leugnet, dass er sehr viele Dinge durch gewisse Merkzeichen zuvor wisse, ist (sechstens) meines Vermutens sein fürnehmstes Absehen und Hoffen dieses: Daß er die Herzen, welche nicht fest an Gott hängen, hierdurch neige, und lüstern mache zur Wahrsagerei: Damit sie zu den Hexen und Wahrsagern gehen mögen, wann ihnen etwas gestohlen, oder eine unheilsame Krankheit zugestanden, oder sonst eine Lust ankommt, den Ausgang dieses oder jenes Handels vorher zu erfahren; was für einen Bräutigam sie zu gewarten haben: wie lang ihr alter Mann, oder altes Weib, noch Brot fressen, und ihrem Verlangen nach einer neues Speise im Wege stehen werde? Oder was ihnen sonst für Glück und Unglück in ihrem Leben bevor stehe? Wie dann der Gottlosen Leite keine geringe Anzahl ist, die aus solchen Ursachen entweder die Hexen, oder die Hexenmeister, oder die selten bessere Zigeuner (welchem Geschmeiß billig keine Christliche Obrigkeit einen einigen Tritt auf dero Grund und Boden gestatten sollte) zu Rat ziehen, und auf dergleichen fürwitzige Fragen, gewissen Bericht von ihnen verhoffen. Dann mit solchem Angel gelüstender Vorwissenschaft sähet der Teufel viel tausend Seelen, und reißt die, so Gott nicht recht vertrauen, viel tiefer damit in Gottes Ungnade und gerechten Zorn.

Auf solches Ziel, nämlich auf vorgedachtes unterschiedliches Absehen, streichet es alles zu, was man in den Gräbern und auf den Kirchhöfen, oder auch vor den Wohnhäusern derer, daraus mit nächstem eine Leiche getragen werden soll, düsterliches und schauerisches siehet oder höret. Da stimmet er gleichsam und bewegt bald den Nachtvogel zum schreien; Bald den Hund zum abscheulichen und ungewöhnlichen Heulen. Bald läutet er eine Glocke in den Häusern: Bald rumort oder klopft er in den Leichtruhen oder Gräbern.

Maßen man unter andern im Jahr 1665 zu Lützen in eines Schusters Grabe ein starkes Klopfen gehöret. Es bezeuget auch oben benannter Herr Garmann in seiner curiosen Schrift von den wunderbarlichen Sachen der Toten, dass er nebst andern einmals zu Merseburg selber auch dergleichen gehöret, indem man daselbst eine gewisse Mannsperson zur Erden bestätiget hat.

Vor allen ist dieses insonderheit abenteuerlich, und einer Betrachtung wohl würdig, dass, wenn giftige Sterb-Seuchen grasssiren, bisweilen die Toten, bevorab die, so weiblichen Geschlechts sind, ihre Grab-Tücher, Toten-Mender, und anderes Leichen-Gerät belecken, ja, mit einem lauten Schall nicht anders daran saugen, als ob man eine Sau schmatzen hörte; und so weit sie mit dem Maul um sich her reichen können, alles auffressen.

Von solchen in und außer dem Grabe unruhigen Toten (oder vielmehr Teufeln) werden unterschiedliche Exempel gefunden: Deren sonderlich diese zwei denkwürdige in des Hagecit Böhmischen Chronik zu lesen. Im Jahr 1337 hat sich in Böhmen in einem Dorfe, mit Namen Blow, eine Meile Wegs von der Stadt Cadan, zugetragen, dass ein Hirte mit Namen Myßlata gestorben und bei der Kirchen begraben worden. Derselbe stand alle Nacht auf, ging in den Dörfern herum, und erschreckte die Leute, und redete ihnen nicht anders, als wenn er noch am Leben wäre. Wobei es aber nicht geblieben, sintemal er auch etliche derselben erwürget hat, und vor welches Wohnung er kommen, und jemanden mit Namen genennet, derselbe musste sterben, ehe dann acht Tage vorbei gingen.

Solches Übel zu dämpfen, kamen die Nachbarn desselben Dorfs so wohl, a la auch aus den umliegenden Dörfern zusammen, berieten sich, ließen ihn ausgraben, und ihm einen eichenen Pfahl durch den Leib schlagen: Dessen er aber nur gelacht (oder vielmehr sein Gespenst; Denn ihm selbsten wird in der Höllen nicht viel Lachens zu mute mehr gewesen sein) und gesprochen: „Ihr meinet, ihr habt mir einen gewaltigen Possen gerissen, allein ihr habt mir nur einen Stecken gegeben, damit ich mich desto besser der Hunde erwehren kann;“ Und ging folgends dieselbige Nacht herum, und betörte die Leute vielmehr als zuvor.

Die umliegenden Einwohner konnten solches länger nicht dulden, bestellten zwei Henker, ließen ihn ausgraben, und auf einen Wagen legen auf welchem er die Füße, ohnerachtet er gebunden war, streckte, und von und zu sich zog, als wenn er lebte, und brüllte grausamlich, als ein Ochse. Als man ihn nun an einen andern Ort gebracht, auf einen Holzhaufen gelegt, und an die ins Erdreich eingeschlagene Pfähle fest gebunden, stach ihm der eine Henker mit einem zugespitzten eichenen Pfahl in die Seiten, daraus ihm das Blut, gleich als aus einer Röhren oder Rinne, geronnen. Und wie man das Holz unter ihm anzündete, brüllete und schrie er abermals als ein Esel. Da er aber verbrannt gewesen, hat das Übel auch ein Ende genommen.

Anno 1345 hat sich in Böhmen, in einem Städtlein Levin genannt, folgendes zugetragen. Es war nämlich darinnen ein Töpfer )oder Hafner) mit Namen Duchacz, welcher ein Weib hatte dieselbige hieß Brodka und war voll teuflischer Zauberei. Als solches lautbar worden, ermahnten sie die Priester von solchen bösen Taten abzustehen. Und wiewohl sie sich dessen öffentlich enthielte, so trieb sie es doch in geheim. Auf einmal begab sich’s, als sie ihre Geister zusammen gerufen, dass sie desselben Tages des gehlingen Todes starb, niemand wusste es zu sagen, ob sie von ihnen umgebracht, oder sonsten gestorben war. Um dieser Ursache willen, wollte man sie unter fromme Christen nicht begraben, sondern ward auf einem Scheide-Weg verscharret. Bald darauf wurde gespüret, dass sie herum ginge vielmals zu den Hirten auf dem Felde käme, sich in mancherlei Tiere Gestalt verwandelte, die Hirten erschreckte, und das Vieh verjagte, welches ihnen nicht wenig Bekümmernis brachte. Unter Zeiten ließ sie sich auch in ihrer rechten Gestalt, als wenn sie noch lebete, sehen, darnach kam sie auch vielmals, so wohl in oben genannten Städtlein als in den umliegenden Dörfern, in der Leute Häuser, und erschien in mancherlei Gestalt, redete mit den Leuten, erschreckte ihrer viele und brachte etliche gar ums Leben. Die Nachbarn des Städtleins, und die Bauern aus den umliegenden Dörfern vereinigten sich, und ließen sie durch einen hierzu tüchtigen Mann ausgraben. Als solches geschehen, konnten alle anwesenden Leute sehen, dass sie ihren Schleier, so sie auf dem Kopf gehabt, die Hälfte in sich hinein gefressen, welchen man ihr ganz blutig aus dem Halse heraus gezogen. Man ließ ihr darauf zwischen die Brust einen Eichenen Pfahl schlagen, auf welches ihr das Blut aus dem Leibe floß, als aus einer Rinde, worüber sich männiglich verwunderte, inzwischen wurde sie also wieder verscharret.

Nach kurzer Zeit aber ließ sie sich wiederum sehen, vielmehr als zuvor, erschröckte und tötete die Menschen, und welche sie umgebracht, auf denen sprang sie mit Füßen herum. Derowegen wurde sie durch denselben vorigen Mann wiederum aufgehackt, und befunden, dass sie den Pfahl, welchen man ihr in den Leib geschlagen gehabt, heraus gerissen und in Händen gehalten. Weswegen man endlich den teuflischen Schelmen-Balg mit samt dem Pfahl verbrannte, und die Asche, samt dem Erdreich ins Grab streute. An der Stätte, wo der Körper verbrannt worden, hat man etliche Tage über einen Wirbel-Wind gespüret, aber sonst hernach weiter von ihr nichts gesehen, noch einige Ungelegenheit mehr erlitten.

Es gedenkt auch Zeilerus in seien Trauer-Geschichten: Es habe zu Eiwanschitz in Mähren im Jahr 1617 und 18 zu unterschiedlichen malen von glaubwürdigen Bürgern des Orts erzählen hören, dass daselbst vor etlichen Jahren, ein dem Ansehen nach ehrlicher Bürger, auf dem Kirchhofe selbiger Stadt beerdigt worden, aber stets bei der Nacht aufgestanden sei, und Leute umgebracht habe. Dieser ließ allezeit seinen Sterb-Kittel bei dem Grabe liegen, und wenn er sich wiederum niederlegte, zog er denselben wieder an. Es wurdens aber einmals die Wächter auf dem Kirch-Turm gewahr, als er von dem Grabe wegging, eileten derohalben hinab, und trugen ihm den Grab-Kittel hinweg. Da er nun wieder zum Grabe kommend, seinen Kittel nicht antraf, rief er ihnen zu, sie sollten ihm den Kittel wieder geben, oder er wollte ihnen allen die Hälse brechen. Welches sie auch in großem Schrecken getan.

Aber nachmals musste der Henker ihn ausgraben, und zu Stücken zerhauen; Worauf man weiter nichts gespürt. Der Scharfrichter zog ihm einen langen großen Schleier aus dem Maul hervor, welchen er seinem Weibe vom Kopf gefressen hatte. Diesen zeigte der Nachrichter dem umherstehenden Volk, und rief: Schauet, wie der Schelm so geizig gewesen! Nachdem er aus dem Grabe genommen war, sagte er noch: Sie hätten es jetzo wohl recht getroffen, sonst wann sein Weib auch gestorben, und zu ihm gelegt wäre worden, wollten sie beide die halbe Stadt umgebracht haben.

Kornmannus in seinem Tractat de Miraculis mortuorum schreibt, es bezeuge die Erfahrung, dass etliche Toten in den Begräbnissen ihre Kleider aufgefressen, und sage man, dass hierauf bald ihre nächste Verwandte sterben. Und Hondorff gedenket, es habe in einen Dorf ein begrabenes Weib im Grabe sich selbst angefangen zu fressen.

Rollenhagen bringt gleichfalls ein Exempel vor, nebst dem Bericht, dass man dem Verschiedenen, bevor ihm der Mund geschlossen worden, einen Stein und Pfennig ins Maul zu stecken pflege, damit, wenn er im Grabe anfinge zu beißen, er einen Stein und Pfennig vor sich finden, und des Fressens sich enthalten möge. Solches soll auch, wie er hinzu tut, vieler Orten (zu seiner Zeit) in Sachsen geschehen sein.

Wenn nun solches Ungeheuer, nämlich der Schmatzende Tote, vermerkt wird, nimmts gemeiniglich der gemeine Haufe als eine Vorbedeutung auf, das Sterben werde nicht allein lang anhalten, sondern auch die Leute härter quälen als sonst, und der Tote werde die nächsten Anverwandten bald nachholen.

Damit nun nicht das Übel, wie sie besorgen, größer werde, und weiter Unheil daraus entstehe, bemühen sie sich demselben auf folgende Weise vorzukommen, und dasselbe aus dem vermeinten Grunde zu heben: Sie öffnen das Grab, reißen dem Toten die von ihm gefressene Tücher und Kittel aus dem Maul, stoßen hernach dem Schlucker mit dem Grabscheit den Kopf ab, der Einbildung, es werde nach dem solchem Sauchen, Schmatzen, Fressen und Benagen, so wohl des Fleisches als des Kittels gesteuert worden, auch der Sterb-Seuche damit Einhalt getan und ein Ziel gestecket sein.

Was aber solches Schmatzens, Saugens und Fressens im Grabe eigentliche Ursache wohl sein mögte, und ob solche Verfahren mit dem Leichnam, wie allererst erzählet worden, zu billigen oder nicht, das gilt Betrachtens.

In der bloßen Natur wird man schwerlich allhie einen Grund finden; Dann dass vielleicht das Tier Hyaena (oder Vielfraß) welches sonst gern die Gräber visitirt, und die Toten-Körper frisst, solches Getös und Schmatzen im Grabe anrichten sollte, wird kein vernünftiger Mensch glauben. Wahr ist es, dass selbiger Vielfraß die Begräbnisse aufgrabe, die tote Leichnam hervorziehe, und nach seiner Höhlen trage, bei welcher man gemeiniglich einen großen Haufen von Menschen-Beinen, und Aas-Knochen findet. Weswegen die Türken, wie Busbequius schreibet, ihre Begräbnisse mit schweren Steinen bedecken, damit ihre Verstorbenen für diesen Tieren, wie auch vor Hunden und Wölfen desto sicherer liegen mögen. Aber der Vielfraß frisst die Körper oder Toten-Gerippe, und nicht die Kleider. Es wird auch nur ein gewisser Teil des Leibes bisweilen befressen, da hingegen der Vielfraß den ganzen Körper verzehret. Das Grab bleibt bei dieser Begebenheit zugescharret und unaufgegraben, der Vielfraß aber muß es erst aufgraben, so er den Toten erreichen will. Und welches das allermeiste, so geschichet dies seltsame Toten-Schmatzen in solchen Ländern, darin gar kein Vielfraß ist.

Eben so schlechten Schein hat es, dass es Fragens oder Nachdenkens wert wäre, ob etwa die Nacht-Vögel Striges, so man sonst Uhu nennet, (wiewohlen manchmalen auch die Hexen dadurch verstanden werden) hieran schuldig sein sollten. Dann gemeldte Nacht-Vögel sind auch schon bei den Alten sonst im Geschrei, dass sie so wohl den Säuglingen, als den Säug-Ammen selbsten bei Nacht die Brüste saugen, ingleichen auch mit ihren Schnäbeln die Ziegen melken, und großen Appetit zu Menschen-Blut haben- Maßen neben andern der alte Poet Ovidius dessen in seinen Schriften Meldung tut, dass es nämlich seien fraß-gierige Vögel, der Kopf sei groß, die Augen stehen ihnen weit, und starren gleichsam, und der Schnabel sei ihnen zum Raube gewachsen: Sie haben graue Federn, und krumme Klauen mit langen Nägeln: Fliegen zu Nachts herum, greifen die Säuglinge an, raffen sie mit sich fort aus der Wiegen, und verderben sie, indem sie ihnen das Blut auszapfen etc.

Daß es nun dergleichen Vögel, so viel die Gestalt betrifft, gebe, stehet nicht zu zweifeln; Denn es sind keine andere, als die Nacht-Eulen, aber dass sie den Ziegen die Milch, und den kleinen Kindern das Blut aussaugen sollten, ist falsch. Welches auch Plinius bezeuget, wann er schreibt: ER halte für ein Mährlein, dass die Striges, oder Nacht-Vögel den Kindern die Brüste sollten aussaugen, so wüsste man auch nicht, was es für ein Vogel sei.

Es möchte leicht, wie Garmannus vermeinet, jemand einwenden, dass gleichwohl bisweilen den Kindern wirklich das Blut also ausgesogen werde; Maßen der berühmte Dänische Medicus, Thomas Bartholinus solches mit diesem Exempel vergewissert: Drei kleine Kinder eines Priesters zu Lykisholm in Fünnen, welche in ihrem gewöhnlichen Gemach beisammen schliefen, weineten und schrien ungewöhnlich, und erzeigten sich überaus unruhig, weil sie fühleten, dass sie von jemanden würden gleichsam gemelket oder ausgesogen. Und als die Eltern solchen kleinen Knaben ihre Brust-Warzen (oder Zitzen) besahen, welches wie einer säugenden Frauen weit heraus gezogen waren, fand sich’s, dass der Kinder Argwohn nicht vergeblich wäre, darum bestrich man ihnen die Brüste mit bittern Säften. Hierauf ward ihnen der Nabel so hart aus- oder hervor gezogen, dass er nicht allein augenscheinlich heraus stund, sondern auch das eingedruckte Merkmal zeigte, dabei man die Größe des Mauls, so daran gezogen hatte, gar känntlich abnehmen konnte.

Die Gewissheit dieser Geschichte lässt man gar gern zu: Allein dass solches eine Arbeit bemeldter Nacht-Vögel sei, muß erst erwiesen werden. Wie sollten dieselbe zu einem versperrten Zimmer hinein kommen? Man würde ihrer ja ansichtig werden. Darum ist es Hexenwerk gewest, und durch des höllischen Nacht-Vogels Mitwirkung geschehen.

Es ist sonst auch ein fast gemeiner Wahn unter gemeinen Leuten, dass ein Nacht-Gespenst (welches man in Sachsen die Jüdgen nennet) den Leuten bisweilen das Haar sauge, und mit seinem Speigel ihnen dasselbe als wie mit einem Leim zusammen kleistere. Daraus alsdann, ihrer Meinung nach, die Mahrlocken, oder Mahrenfelchten, oder (wie sie anderer Orten benamet werden) die Schrötlings-Zöpfe entstehen. Schenckius erzählet in seinen Medicinischen Observationen einen merkwürdigen Verlauf, so in seiner Nachbarschaft und zu seiner Zeit vorgegangen: Daselbst kam eine Magd in Verdacht, als ob sie schwangeres Leibs wäre, und nachdem ungefähr ein ertränktes Kind angetroffen worden, ging das Gerücht, sie hätte ihre Leibes-Bürde heimlich abgeleget, und erstickt oder ertränket. Als solches dem Richter zu Ohren gekommen, wird sie gefänglich eingezogen, und wegen beharrlicher Ableugnung von den Ammen besichtiget. Welche nach Überlegung der Sachen einhellig dahin stimmten, sie habe heimlich geboren, zumal weil ihre Brüste Milch gaben. Jedermann hielt sie nun für genugsam überwiesen, und für eine Kinds-Mörderin; Allein sie fand bei einer so verzweifelten Sache doch eine Ausflucht, vorwendend, sie hätte die Jüdgen, welche durch nächtliche Brüste-Säugen die Milch zuwege brächten: Zeigte auch zugleich einen Mahrlocken an ihrem Kopfe. Man brachte sie dennoch an die Folter, aber weil sie auf ihrem Vorwand steif und fest bestund, ward sie endlich losgesprochen. Daß nun das Saugen und Schmatzen der Toten, entweder mit den Mahrflechten, oder mit dem Saugen oberwähnter Nacht-Vögel, einige Gemeinschaft haben sollte, kann ich noch zur Zeit nicht absehen.

Was aber die Herrn Ebräer von der Schlangen Azazel fabuliren, dass dieselbe den Menschen-Körper in der Erden nage und verzehre: Ingleichen von einer gewissen Maus, welche den Leib, so bald derselbe nur der Erden einverleibet worden, alsofort anhebe so grausamlich zu beißen, dass er darüber laut schreien müsse, lassen wir ihnen, für einen bekannten Juden-Schnitt, unaufgehalten passiren, und die Feder mit mehrere Erörterung solches Geschwätzes unbemühet. Keines bessern Werts ist fast das Mährlein des gemeinen Pöbels, welches den Toten-Gräbern hierin die Schuld zueignet, mit dem Vorgeben, wann dieselbe den Toten aufs Angesicht, das ist, mit dem Antlitz unter sich legen, oder ihm Haare in den Mund tun, und keinen Erden-Kloß unter das Kinn legen, so werde ein solches Spiel daraus.

Pausanias, wiewohl ein Heide, zielet doch viel besser und etwas näher, wenn er schreibt: Man habe von den Priestern zu Delphis die Nachricht empfangen, nämlich ein sonderbarer Teufel, der lange und ausstehende Zähne, einen schwärzlich-blassen und totfarben abscheulichen Körper habe, und mit einem Fuchs-Balge umkleidet sei, fresse und verzehre denen Toten dermaßen das Fleisch vom Leibe, dass ihnen kaum die bloßen Gebeine übrig bleiben. Hier hat der Satan von sich selbsten einige Wahrheit, doch mit Lügen vermenget, gesaget.

Beim Saxone Grammatico lieset man eine abenteuerliche Erzählung dieses Inhalts: Assuit und Asmund zween vertrauteste aber heidnische Freunde verschwuren sich gegen einander, welcher von ihnen beiden den andern überlebe, der sollte sich mit dem andern lebendig begraben lassen. Nachdem hernach Assuit an einer Krankheit gestorben, hat den Asmund seine Freundschaft und eidliche Verbindung bewogen, sich in eine große Höhle oder weite Grube, darin man den Leichnam seines verblichenen Freundes, mit einem Hunde und Pferde gebracht hatte, versperren zu lassen. Wiewohl er ziemlich viel Speise zuvor mit sich hinein genommen, auf dass er eine lange Zeit davon zu leben hätte. Endlich marschiret daselbst einstmals König Erich mit dem Kriegs-Heer vorbei, und weil er vermutet, es liege allda ein Schatz vergraben, lässt er die Grab-Höhle des Assuits öffnen, den Asmund heraus, und wieder ans Tages-Licht führen, welcher im Angesicht ganz wüst und hässlich aussahe, und mit Eiter und Blut überflossen war: Dann Assuit war bei Nacht-Zeiten wieder lebendig worden, hatte mit dem Asmund gerungen, und ihm das linke Ohr herab gerissen. Gestaltsam dieser, als der König ihn gefragt, woher er die Wunde bekommen, dieses zur Antwort gegeben.
Was entsetzet ihr euch, dass ich euren Augen einen so grässlichen Anblick darstelle? Wer lebendig seinen Aufenthalt bei denen Toten hat, der kann leicht so gräulich, wüst, blaß und ungestalt werden. Assuitens Geist ist aus der Höllen-Schlund herauf gestiegen, und nachdem sein Maul und grimmigen Zähne das Roß und auch den Hund gefressen, war er dennoch damit nicht satt: ER warf gleich einem Wolfe, auch mir die scharfen Klauen ins Angesicht: Er riß mir die Backen entzwei, dabei ich auch mein Ohr mit eingebüßet. Allein es ging doch so dem Ungeheuer nicht ich, ich griff darauf zum Schwert, und spaltete ihm den Kopf, den Leib aber habe ich, zu meiner Revange, mit einem Pfahl durchstoßen.

Diese Abenteuer scheinet zwar etlichen Umständen nach, einer Fabel gleich, doch dann gleichwohl in etlichen Stücken etwas daran sein: Nämlich so viel, dass man des Asmunds, oder eines anders verstorbenen Toten-Körper, bald nach dessen Beisetzung, und noch vor der Verwesung wieder gefunden, der etwa von einem unterirdischen Grab-Gespenste auf obbeschriebene Art übel zugerichtet zu sehen gewesen, wozu man hernach etwas mehrers gedichtet. Es dürfte aber auch wohl wirklich geschehen sein, dass Asmund zu dem Assuit sich lebendig versperret habe, (weil die alte Nord-Völker teils aus Ruhmsucht, teils aus vermeinter Treu und Pflicht viel seltsames Ding unternommen;) und dass dam einige Zeit hernach, da er unterdessen von den bei sich habenden Speisen gelebt, auch vielleicht durch verborgene Ritzen etwas Luft genossen, ihn aus Vermutung eines Schatzes wiederum hervor gebracht: Oder dass er gar bald unter der Erden vom Gespenste auf vernommene Weise tractiret worden sei, (dann der Geist des Unglaubens ist mächtig über die Kinder des Unglaubens) oder auch, dass, nachdem er vorlängst erstickt war, der Teufel in seiner Gestalt, und mit dem toten Leichnam des Assuits umgeben, dem König Erich also erschienen wäre.

Wiewohl nun dies lauter Ungewissheit, und keinen rechten Grund hat, folgends auch keines rechten Schlusses fähig ist, spüret man doch so viel daraus, dass schon damals der schmatzende Tod, wo nicht dem Namen, doch der Wirkung nach, unter den Heiden bekannt, und ruchbar gewesen.
Anderst würden sie, im Fall dieses Vorgeben von dem Assuit und Asmund gleich ein nur lauteres Mährlein wäre, solchen Umstand nicht leicht darzu gedichtet haben, dass nämlich dem Asmund das Ohr im Grabe abgefressen worden, und er deswegen den Leichnam des Fressers einen Pfahl durch dem Leib getrieben. Dann daraus gehet die starke Mutmaßung, es sei dieses Mittel, das Schmatzen und Fressen des Toten zu stillen, bei den alten Heiden schon üblich gewest.

Unterdessen hat man im geringsten nicht zu zweifeln, dass solches Saugen, Schmatzen, Kauen und Fressen des Toten, anders nicht, als des Teufels Gaukelei, Gespenst, Betrügerei und Bosheit, welcher unter des begrabenen Person ein solches Schmatzen, Lecken und Beißen im Grabe verübet.

Gleichwie nun dieser boshafte Geist, fürnehmlich bei Pest-Läuften, da er Gottes Scharfrichter ist, große Gewalt hat, also kann er auch auf Gottes Verhängnis, nicht allein eine Pestilenz, so über den ganzen Erdboden sich ausbreitet, erregen, sondern ist auch, als ein rechter Verderber und Würg-Engel bemühet, durch mancherlei Schreck-Possen, zum Untergange menschlichen Geschlechts, solches Verderben zu erweitern, und fortzusetzen.

Oben besagter Garmannus vermutet auch nicht ohne Vernunft, dass solches Spiel eben sowohl bisweilen von den Zauberern und Hexen angerichtet werden könne, wovon wir Exempel genug anzuführen im Stande wären, wann wir nicht uns der Kürze befleißen wollten.

Inzwischen mögte man sich billig verwundern, warum der Teufel, als ein so verschmitzter Geist, solche alberne Gaukel-Possen mit den Toten treibe, und nicht vielmehr unterdessen auf andere Ränke sinne, womit er die Menschen überlisten und fahen könnte.

Aber man muß betrachten, dass dieser schädliche Menschen-Verderber seine allerschlaueste List oft mit dem allereinfältigsten Schein von außen verlarve, und keine unter allen seinen Betrügereien so lächerlich sei, oder so albern und tölpisch scheine, darunter er nicht der Menschen Verderben suche, und einen schädlichen Hinterhalt verdecke.

Belangend nun die Frage, ob es billig und recht, dass man solche schmatzende Toten aufgrabe, ihnen die Leich-Tücher oder Sterb-Hemder aus dem Maul reiße, und den Kopf abstoße? So wollen solches, weder die Natur- und Arznei-Verständige, noch die Politici, noch die Rechtsgelehrten, noch die Theologen allerdings billigen.

Der Natur-Kündiger und Arznei-Verständige widerrät es, um der bösen schädlichen Dämpfe willen, so aus dem Grabe heraus dünsten, und eine Pest erwecken könnten: Derohalben nach seinem Rat das Grab ungeöffnet bleiben sollte. Ob man gleich vorgibt, dies Abenteuer sei entweder eine Ursache, oder ein Zeichen der Pestilenz: gewinnen solche Leute doch damit keinen Fug, also zu verfahren. Dann eine Ursache kann es gar nicht sein: Weil, ehe sich der schmatzende Tote hören lässt, manchmal die Pest allbereit ihrer viel schon hat aufgerieben; auch sonst kein Beweis zu geben steht, dass hierdurch die Sterb-Seuche ins Zunehmen geraten sollte. Gesetzt aber, es sei ein Zeichen: Was hilft es dann, dass man das Zeichen wegräumet, so man die Ursache nicht aufheben kann? Wann gleich das Vorzeichen wird weggeschafft; ist damit der Erfolg noch nicht gleich verhindert, oder abgeschnitten. Wann gleich (schreibt Garmannus gar recht) der Comet verschwunden; sind darum Pestilenz, Hunger und Krieg noch nicht verschwunden.

Der Politicus und Rechtsgelehrte werden auch nicht loben; sondern sagen, dass die Gräber bei allen honnetten und höflichen Völkern der unverstörlichen Ruhe gewidmet, unversehrlich, Gewalt-frei und gleichsam heilig geachtet worden: Dannenhero auch in Rechten gedacht wird, dass die Vorfahren es für ein Sacrilegium oder grobe Übeltat, und als wie einen Kirchen-Bruch, gehalten, so man die Steine von den Gräbern wegnehme, den Wasen daselbst ausraufte, und das Erdreich aufgrübe. Ja es wird die Gewalt-Tat an den Gräbern und Verstreuung der Aschen für das ärgste Schelm-Stück gerechnet. Deswegen hat man auch nicht leicht über einen toten Körper die Hand der Justiz ausgestreckt, oder einige gerichtliche Strafe ergehen lassen; wofern der Täter nicht die Göttliche und weltliche Majestät beleidiget, oder verfluchte Hexen-Taten und abscheuliche Zauberei begangen. Maßen die Beraubung oder ab-Erkenntnis der Begrabung von den Rechtsgelehrten jederzeit unter die größeste und härteste Gerichts-Strafen gezählet worden. Daraus dann leicht zu ersehen, wie übel und unverantwortlich dem Begrabenen geschiehet, wenn man ihn um bedeuteten Wahns willen, wieder aufgräbet und köpfet.

Der Theologus wird sprechen, er laufe wider die heilige Schrift, welche die Toten zu fragen verbeut; Nun sei aber dieses gleichsam eine Befragung der Toten, wann man von ihnen ein Vorzeichen der Pestilenz nimmt: Es werde dadurch der Aberglaube fortgepflanzt; Könnte der tote Körper eine Pest erwecken, so wäre Gottes Allmacht und Providenz nichts: Wann es aber je wirklich also geschehe, so käme es anders nicht, als aus Göttlicher Zulassung her, und würde demnach solches abergläubige Mittel den Göttlichen Willen nicht ändern, sondern vielmehr seinen Zorn zur Rache wetzen. Gestaltsam etliche Theologi dafür gehalten, die Pets risse um solches Aberglaubens willen noch ärger ein.

Wie wann aber die Verstorbene eine Trude (oder Hexe) gewest, welche ein Sterben erregt hätte, und solches nach ihrer Beerdigung eher nicht nachließe, bis man ihr im Grabe den Kopf abgehauen? Es erfordert dies aber zuvorderst einen klaren gerichtlichen Beweis, und Überführung, dass es eine Hexe gewesen, und alsdann wird die Obrigkeit wissen, was ihr Amt erheischet. Privat Leuten steht nicht zu, derselben vorzugreifen, oder sich einer Eröffnung des Grabes eigen-willkürlich anzumaßen. Demnächst gilt es noch fragens, ob die verstorbene und begrabene Hexen auch eine Pest erregen können, oder jemals erregt haben? Und ob man darum ihnen im Tode den Hals abstoßen solle?

Einmal kann man nicht leugnen, dass die Zauberinnen, wann sie noch am Leben, auf Göttliche Verhängnis in vielerlei Weise die Brunnen und Wasser vergiften, oder sonsten denen Leuten allerhand giftige und zauberische Sachen an die Fenster, Bänke, Haustüren bisweilen auch wohl an die Kirchtüren streichen, oder streuen, (welches Seneca Pestem manu factum, eine mit der Hand gewürckte Pestilenz nennet) und ihnen auf solche Art die Pest zubringen können. Wie dann auch nicht zu leugnen, dass ebenfalls, nach dem Tode solcher verfluchten Bestien, eine Pest erfolgen könne. Daß aber solche Pest den verstorbenen Hexen alsdann zuzuschreiben sei, wird daraus nicht folgen.

Die Städte und Republiken (schreibet Garmannus) mögen ihnen selbst vielmehr dessen Schuld geben, weil sie dem Göttlichen Donner-Wort wider die Unholden (die Zauberer solt du nicht leben lassen) nicht genug getan. Darum, weil solche Teufels-Sklaven der Höllen oder des Scheiterhaufens würdiger, als einer ehrlichen Begräbnis; hat alsdann Zweifels ohne die Göttliche Gerechtigkeit mit so seltsamer Begebenheit und harten Strafen die Obrigkeit gleichsam anspornen wollen, dergleichen Unmenschen nach dem Tode noch einer Strafe und Schmach zu unterwerfen. Maßen es nicht mangelt an Exempeln, durch welche Gott zu erkennen gegeben, dass die verfluchte Leiber dieser Gottlosen nicht wert, von der Erden, die seiner Füße Schemel ist, bedeckt zu werden, etc.

Was will nun hieraus anders geschlossen werden, als dass, wenn unbetrügliche Anzeigungen, Beweistümer und Zeugnisse vorhanden, die verreckte sei eine Hexe gewesen, doch aber ehrlich begraben worden, alsdann sei billig, auf Obrigkeitlichen Befehl, wieder heraus geworfen, und (gestalten Sachen nach) entweder noch verbrannt, oder an einen unehrlichen Ort eingeäschert werde? Wie man dessen unterschiedliche Beispiele vorstellen könnte, wenn es die Weitläufigkeit nicht hinderte.

Dienstag, 3. August 2010

Dokumente zum Hermersdorfer Vampirvorfall

Im Zuge meiner Recherche nach dem Hermersdorfer Vampirskandal 1755 und dem daraus erfolgten “Vampirerlass” Kaiserin Maria Theresias vom 1. März 1755 habe ich in dem umfangreichen medizinischen Werk Codex sanitario-medicinalis Hungariae des Arztes Franz Xaver Linzbauer auf den Seiten 722-725 die Korrespondenz der Kaiserin ausfindig machen können. Es handelt sich dabei um zwei Briefe und das abschließende Protokoll der Untersuchungskommission. Der erste Brief enthält die Weisung Maria Theresias, fähige Ärzte zu der Untersuchung des Vampirvorfalls zu bestimmen. Der zweite ist an die zuständige Behörde in Schlesien gerichtet, mit der Weisung die abgeordneten Kommissare mit allen Mitteln bei der Aufklärung des Falles zu unterstützen. Das Abschlussprotokoll des Falles ist auf den 17. März 1755 datiert und erklärt den ganzen Sachverhalt um die vermeintlich vorhanden gewesenen Vampire für reinen Aberglauben.


Casus in Silesia


1. Brief: An den obersten Kanzler Grafen von Haugvitz. Er soll bei van Swieten sich umfragen um einen Chrirugum. Wann er diese abergläubige Menschen könnte überzeigen von der Wahrheit, - täte er dem publico einen großen Dienst. Ihme (dem Chirurgo) Diäten-Gelder mitgeben. Wien den 8. Februar 1755. Maria Theresia.

2. Brief: An die böhmisch-schlesische Representation und Kammer. Maria Theresia etc. aus dem von unserem obersten Kanzler an dich Präsidenten gestern erlassenen Schreiben, bist du bereits verständigt worden, welcher gestalten wir von dem zu Hermersdorf vorgekommenen Vorfall der sogenannten Vampir oder Blutsauger auf das Genaueste benachrichtiget sein wollen.
Zu dem Ende wir, um die eigentliche Beschaffenheit zu erforschen den Anatomum Johannes Gosser, dann dem Feldmedicum Christian Vabst, dahin abschicken, welche nicht nur allein die ausgegrabenen Körper besichtigen, sondern alle Umstände, die dabei in obacht genommen werden können, wohl untersuchen, mithin ein solches Visum et repertum einnehmen, auch sonsten alles vorkehren sollen, wodurch die Naturkundige instand gesetzt werden: die wahre Bewandnis zu beurteilen und solche der Welt zu erkennen zu geben
Ihr werdet demnach eures Orts gleich bei derselben Ankunft bedacht sein, dem Landesältesten nachdrücklich anzubefehlen: daß er sich mit ihnen ohne Verschub ad locum verfüge. Einfolglich nach Erfordernis sowohl Assistendo als Protegendo in allweg anhand stehen und selbe sicherstelle. – Hiernächst aber wird er Landesälteste mit Zuziehung und im Beisein beider vorbenannten Komissari mittelst eines ordentlich darüber zu führenden Protocolli, welches von allen gefertigter in Originali anhero einzusenden ist, alles Fleißes untersuchen und auf den wahren Grund zu gelangen trachten: Wen, auf was Art und Weis, seit wann und zu was Zeit, auch wie oft diese sogenannte Vampir oder Blutauger andere, und zwar benanntlich beunruhige und in was Gestalt sich solche sehen lassen haben, folgbar, wie und warum sowohl dem Geplagten als anderen Leuten im Ort ein solches glaubwürdig geschienen? Zumal wir von ein und andern so ausführlich als verlässlich fördersamst informiert sein wollen.
Wien den 9. Februar 1755. Maria Theresia M. P.

Protocollum directorii in publicis et cameralibus.
Wir nahe ddto 17. Martii 1755. Bericht über die in Angelegenheit der angeblichen Vampirs in Hermersdorf (Schlesien) durch die delegierte Hofcommission vorgegangene Untersuchung. Der ganze Hergang der Sache ist ärgerlich. Votum. Dieser nunmehro durch die fürgeweste Untersuchungskommission vollständig eruierte Hergang der Sachen ist sowohl an Seiten des Geistlichen als weltlichen Gerichts nichts anders, als ein aus verderbter Einbildungskraft, und stärflichen Vorurteilen herrührender Zusammenhang abscheulicher Superstitionen, und unverantwortlicher Illegalitäten.
Man betrachte entweder die bei diesen Verfahren zum Grund genommenen Indicia, woraus die denen Verstorbenen angeschuldete angebliche Magia posthuma gefolgeret, und wessentwegen ihre entseelte Körper sofort von dem geistlichen Gericht der weiteren Ruhe auf einen geweihten Ort für unwürdig erkennet, dann von dem weltlichen Gericht zum Feuer verdammet worden, oder auch die Art und Weis des mit diesen Körpern vorgenommenen Verfahrens, so veroffenbaret sich ein – als andererseits eine grobe Unwissenheit, und ein umso sträflicheres Unternehmen, je mehrere Ärgernus dadurch dem einfältigen Bauren-Volk gegeben;- und von der Geistlichkeit, welcher nach denen Pflichten ihres Berufs diesen eingewurzelten Wahnwitz auszurotten obgelegen wäre, die gesunde Vernunft und die Grundfeste der Religion bestritten werden.
Den Ungrund deren ersteren, welche in der Unverwestheit deren Leibern, und Biegsamkeit deren Gliedmaßen, dann beengst – und Beunruhigungen deren Lebenden bestehen sollen, hat der Leib – und Protomedicus Freiherr van Swieten in seiner darüber verfassten Deduction standhaft dargetan, und mit unwiderleglichen Beweistumen gezeiget, dass die Erhaltung deren Körperen von der Verwesung auch unter der Erden durch mehr oder weniger Zeit aus ganz natürlichen und zufälligen Ursachen als da seiend: die Umstände der Krankheit, die Hitze, oder Kälte der Luft, die Beschaffenheit des Erdbodens und dergleichen mehrere, herrühren könne, mithin hieraus, dass bei denen Exhumierten, und Verbrennten 19 Körpern noch einige unverfaulte und biegsame Teile wahrzunehmen gewesen, mit so wenigeren Bestand ein Indicium des Vampirismi habe gefolgeret werden können, als auch bei jener für unverdächtig gehaltenen und noch von denen anderen zur Erde bestatteten zu diesem Ende geflissentlichen exhumierten Körpern von denen Kommissariis Wabst und Gasser einige unverfaulte Teile, und sogar in deren einen etwas weniges Blut befunden worden. Dahingegen die in denen Aussagen deren eidlich abgehörten Leuten hervorkommende nächtliche Beängst- und Beunruhigungen in nichts anderem, als einem vermeintlichen Drucken, und eitlen Träumen bestehe, deren Ursprung teils der durch tägliche Anhörung deren Erzählungen, eingenommenen Einbildungskraft, und der Wirkung der daraus entstehenden gräulichen Furcht, teils deren von Brustkrankheiten, mit welchen viele deren vorgeblich gedruckten Personen nachdem von denen zweien Kommissariis veranlassten Untersuchung behaftet wären, verursachten Ängstigkeiten beizumessen sei; Aus dem allem gänzlich erhellt, wie falsch, und betrüglich die vermeindliche Indicia der Magiae Posthumae seien, dasjenige zu geschweigen, was in denen Inquisitions-Actis von einer gewissen Marianna Saligerin, oder sogenannten Richter-Wenzlin, welche 18 Wochen vordeme begraben, und für die Ursache alles Übels gehalten worden, vorgegeben wird, maßen die ihr angeschuldete Superstitiones mitnichten erwiesen, und also vermöge rechten nicht ein Indicium ad inquirendum, folglich umso weniger eine rechtsbeständige Probe ad condemnandum abgeben können. Nun aber auf die Art und Weis dieses grausamen und abscheulichen Verfahrens zu gelangen, so ist doch das Verbrechen der Zauberei, wobei es auf keinen Irrtum in Glaubenssachen, sondern auf einen Bund mit dem bösen Feind ankommet, kein solches Crimen, dessen Untersuchung denen Consistoriis unterliegte, sondern es gehört unstreitig zu dem weltlichen Gericht, woran in den böhmischen Erblanden sich umso weniger zweiflen laßt, als die darin gesetzgebig vorgeschriebene josephinische Criminal-Instruction wie in Crimine magiae zu verfahren sei, Ziel und Maß setzet. Es hat daher die Untersuchung und die Erkanntnis über die angebliche magiam posthumam um die auf dessen Veranlassung exhumierte Körper, ehe und bevor die Verstorbene von dem behörigen weltlichen Gericht durch einen ordentlichen abbeführten Prozess für wirkliche Zauberer erkennet worden, der sepulturae in loco sacro für unwürdig zu erklären, (nicht weiter zu geschehen).
Am allermeisten aber ist zu bewundern das ganze Verfahren, wobei so viel abergläubische Dinge: Als der Gebrauch einer zur incision deren Körpern eigens neu verfertigten Ritz-Hacken; die Öffnung eines Lochs durch die Mauer des Friedhofs, wodurch die Körper herausgetragen worden, der Zwang und Anhaltung deren eigenen Kindern und Freunden zu deren Herausschleppung; dann die Verbrennung der Totenbahre, Leichentuch, Erde aus den Gräbern, dann deren Stricken und Kreuzen, und dergleichen ärgerliche Superstitiones mehr unterlofen, dass sich dadurch der obrigkeitliche Gerichts-Verwalter weit mehr verdacht eines sträflichen Aberglaubens, und zauberischen Handlungen, als die entseelten Körper deren jenigen, welchen man bei ihren Lebzeiten nicht das geringste zu Last legen können, zugezogen, und ex hoc capite mit weit stärkerem Grund als jene, welche sie unschuldigerweis zum Feuer verdammet, sich strafmäßig gemacht haben.
Der Freiherr van Swieten schlüsset demnach in seiner Deduction ganz recht, dass dieser Vorgang nicht anders, als für ein offenbares Sacrilegium und Verletzung deren Gräbern anzusehen, und dergleichen Missbräuchen Einhalt zu tun ohnumgänglich notwendig sei.
Gleichwie aber diesen Unfug für das künftige durch das Generale vom ersten Martii diesen Jahrs allschon abhelfliche Maß verschaffet worden; also beruhet es nur an deme, wie in gegenwärtigem Vorfall sowohl das strafmäßige Vergehen wider die hieran schuldige Personen zu ahnden als auch wie das in dortigen Gegend von diesem Aberlauben so sehr eingenommene Volk von solchen Vorurteilen ab, und auf den rechten Weg zu bringen seie?
Es hat Der Wahnwitz und Aberglauben dem dortigen Dorfsleuten schon seit überhand genommen, dass nicht allein die Breitensdorfer Gemeinde sich von dem mit denen Hermersdorferen gemeinschaftliche Begrabnus-Ort abzusondern angesuchet, sondern sich auch die Kranke, und schwangere Weiber von dorten mit größter Lebensgefahr hinwegtragen lassen, um nicht mit der Magia posthuma angesteckt zu werden und so nach ein gleiches Schicksal mit denen verbrenneten Körpern zu erfahren.
Es wäre daher nicht allein so ein als anderes ernstlich zu untersagen, sondern auch dem Landesältesten, dass er hierob die sorgsamsten Obsicht tragen, und jene, welche sich dem Verbot nicht fügen wollten, zur behörigen Bestrafung anzeigen wolle, nachdrucksamst einzubinden.
Nachdem jedoch dem so tief eingewurzelten Wahn nicht abgeholfen wird, sondern ausgiebigere Mittel erfordert werden, welche sowohl die Leute in dem wahren Begriff ihres bisherigen Irrtums zu setzen, und die eingebildete Furcht auszurotten, als auch ihnen zu ihren vorigen durch derlei fürchterliche Vorbildungen nach deren Relation deren Kommissarien merklich geschwächten Gesundheitsstand zu verhelfen vermögend wären.
So könnten zu solchem Ende einerseits aus dem Troppauer Jesuiter Collegio ein oder zwei geschickte dem Werk gewachsene Geistliche um die Leute mittelst geistreichen Vorstellungen von ihrem Irrtum alles möglichsten Fleißes abzuleiten, und mit der Auflage sich alldort nach erheischender Notdurft durch vier oder sechs Wochen aufzuhalten, mittels der schlesischen Representation dahinbeordert, und ihnen zu besserer Überlegung des Irrwahns die Freiherr van Swietensche Deduction zugestellet, nicht minder dem Kardinal um ihnen alle nötige Assistenz und Vorschub zu leisten, wie auch durch die dortige Seelsorger dem Volk die Abscheulichkeit dieses Irrwahns gründlich vorstellen, und dasselbe in denen wahren Principiis der gesunden Vernunft und Religion unterrichten zu lassen, bedeutet werden; andererseits aber wäre der k. k. schlesischen Repräsentation anzubefehlen, nicht nur denen dahin beorderten Missionarien in ihren geistlichen Verrichtungen ihres Orts beförderlich, sondern auch dahin auf das schleunigste bedacht zu sein, damit der dortige Landes-Physicus dahin abgeschicket, und denen kranken Leuten mit denen nötigen Medicamentis beigesprungen werde, wovon sie den Erfolg nebst dem Fortgang deren Missionen seinerzeit anhero anzuzeigen hätte; vornächst sowohl der schlesischen Repräsentation jenes, was in Sachen an den Kardinal-Bischofen erlassen wird, als der mährischen dieses, was an vorige beide ergeht, zur Nachricht beigeschlossen, die so gründlich gefasste Br. Van Swietensche Deduction aber, um die Welt von ihrem Irrtum zu überzeugen, und die Leute in bessere der gesunden Vernunft gemäße Begriffe von der Sache zu setzen, nach derselben vorläufiger Transferierung in das Latein, in deutscher und lateinischer Sprache zum Druck aufgelegt werden könnte. Placet. Maria Theresia M. P.